Ranvier-Schnürring
Der Ranvier-Schnürring (auch Ranvierscher Schnürring, Ranvier’scher Schnürring) ist der Abschnitt myelinisierter Axone, an denen das Axon frei liegt, also nicht von Myelin umgeben ist. An diesen Stellen treffen zwei benachbarte Myelinscheiden aufeinander und bilden den Ranvier-Schnürring. Der Bereich zwischen zwei Ranvierschen Schnürringen wird wiederum als Internodium bezeichnet, da man Ranviersche Schnürringe alternativ als Ranvier-Knoten (Nodus) bezeichnen kann.
Im Vergleich zu den myelinisierten Bereichen ist der elektrische Widerstand der Membran im Bereich der Ranvierschen Schnürringe geringer. Zusätzlich weisen sie eine hohe Dichte spannungsgesteuerter Ionenkanäle auf. Diese Eigenschaften ermöglichen die saltatorische Erregungsleitung, bei der das Aktionspotential von Schnürring zu Schnürring springt und so dessen Weiterleitungsgeschwindigkeit erhöht.
In diesem Artikel gehen wir genauer auf die Physiologie der Ranvierschen Schnürringe sowie deren Aufbau und Funktionen ein.
Definition |
Bereich zwischen zwei aufeinanderfolgenden Myelinscheiden |
Lage | Myelinisierte Nervenfasern des peripheren und zentralen Nervensystems |
Struktur |
Circa 1μm lang Liegt jeweils zwischen zwei Internodien Hohe Dichte an Natriumkanälen Ankyrine, Zelladhäsionsmoleküle und Ganglioside |
Funktion | Schnelle, effiziente und verstärkte Weiterleitung des Aktionspotentials durch saltatorische Erregungsleitung |
Struktur
Myelinisierte Axone sind, wie der Name bereits verrät, von einer Myelinscheide umgeben, die das Axon umhüllt und isoliert. Im peripheren Nervensystem (PNS) wird die Myelinschicht von Schwann-Zellen gebildet, im zentralen Nervensystem (ZNS) hingegen von Oligodendrozyten.
Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Zelltypen besteht darin, dass ein Oligodendrozyt mehrere Axone myelinisieren kann, während eine Schwann-Zelle nur eine einzige Myelinscheide bildet. Trotz ihrer molekularen und strukturellen Unterschiede weisen die beiden Zelltypen jedoch ähnliche morphologische Merkmale und Funktionen auf.
Ein Teil dieser morphologischen Ähnlichkeiten sind vier unterschiedliche, sich wiederholende Regionen zwischen aufeinanderfolgenden Teilen der Myelinscheide:
- der Ranvier-Knoten
- das Paranodium
- das Juxtaparanodium
- das Internodium
In manchen Quellen werden Paranodium und Juxtaparanodium auch zum Ranvier-Knoten gezählt.
Im Bereich des Ranvier-Knotens fehlt die Myelinscheide. Das Axon ist dort jedoch immer noch von den Mikrovilli der Schwann-Zellen (im PNS), beziehungsweise von Fortsätzen der Astrozyten (im ZNS) bedeckt. In diesem 1 μm langen Bereich ist die Dichte spannungsabhängiger Natriumkanäle sehr hoch. Zudem enthält die Axonmembran im Bereich des Knotens eine Vielzahl von Molekülen, darunter Ankyrine, Zelladhäsionsmoleküle und Ganglioside:
- Ankyrine sind Proteine, die die Bindung der Membranmoleküle am axonalen Zytoskelett gewährleisten.
- Zelladhäsionsmoleküle sind Membranproteine, die die Anhaftung der Gliazellen an das Axon ermöglichen.
- Ganglioside sind komplexe Moleküle, die an der Zelloberfläche Erkennungsstellen für verschiedene Moleküle und somit für Prozesse wie das Zellwachstum bieten.
Das Paranodium grenzt beidseitig direkt an den Ranvier-Knoten und spielt eine entscheidende Rolle bei der Unterteilung innerhalb des Axons. Die Myelinscheide bildet in diesem Bereich eine Verbindung mit der Axonmembran, eine Struktur, die die Bewegung der Ionenkanäle in der Membran und die der Moleküle im Inneren des Axons einschränkt.
Das Juxtaparanodium zeichnet sich durch eine erhöhte Dichte spannungsabhängiger Kaliumkanäle aus. Das Internodium ist dagegen vollständig myelinisiert, was der schnellen Übertragung des Aktionspotentials dient.
Funktion
Durch die Myelinisierung der Axone im ZNS und im PNS, wird die Weiterleitungsgeschwindigkeit des Aktionspotentials erhöht. In diesem Prozess dienen die Ranvier-Schnürringe als Verstärker des Aktionspotentials. Die spannungsgesteuerten Natriumkanäle der Ranvier-Schnürringe öffnen sich, wenn ein Aktionspotential diesen Bereich erreicht. Der massive Einstrom von Na+ in das Axoplasma führt zu einer Depolarisation des Axolemms. Diese Depolarisation wird dann an den nächsten Knoten weitergeleitet, um dort erneut verstärkt zu werden. Zwischen den Knoten isoliert das Myelin das Axoplasma, weswegen die Depolarisation des Axolemms passiv erfolgt, ohne dass das Aktionspotential ständig neu erzeugt werden muss, wie es bei nicht myelinisierten Fasern der Fall ist.
In der Zwischenzeit öffnen sich die spannungsgesteuerten Kaliumkanäle des Juxtaparanodiums und der Ausfluss von K+ leitet den Prozess der Repolarisation ein. Das Zurückspringen des Aktionspotentials zum vorherigen Knoten wird durch die Refraktärzeit des letzteren verhindert, da sich die spannungsgesteuerten Natriumkanäle in einem nicht aktivierbaren Zustand befinden.
Diese Art der Weiterleitung von einem Knoten zum nächsten wird aufgrund der springenden Übertragung des Impulses als saltatorische Erregungsleitung bezeichnet. Dieses Phänomen ermöglicht Geschwindigkeiten von über 100 m/s im Vergleich zu 0,5–2 m/s bei der Weiterleitung über nicht myelinisierte Fasern. Damit eine nicht myelinisierte Nervenfaser eine mit der myelinisierten Nervenfaser vergleichbare Geschwindigkeit erreichen kann, müsste sie einen Durchmesser von etwa 1 mm haben, was in der dichten Umgebung des Nervensystems unmöglich wäre. Die nur an den Ranvier-Schnürringen stattfindende Regeneration des Aktionspotentials bietet gleichzeitig eine energieeffiziente Art der Übertragung im Vergleich zu den nicht myelinisierten Fasern, da weniger Na+ über die Na⁺/K⁺-ATPase zurücktransportiert werden muss.
Klinik
Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine postinfektiöse, immunvermittelte Neuropathie durch die Bildung kreuzreaktiver Autoantikörper. Dies bedeutet, dass die als Reaktion auf die Infektion gebildeten Antikörper ein gewisse Affinität zu körpereigenen Strukturen haben und diese angreifen. Ein Beispiel hierfür ist die Ähnlichkeit zwischen dem Lipopolysaccharid von Campylobacter jejuni und bestimmten Gangliosiden des menschlichen Körpers. Typische Antikörper sind Anti-GM1-Antikörper, die sich beispielsweise gegen Ganglioside der Axonmembran im Bereich des Paranodiums richten. Infolgedessen wird die Funktionsfähigkeit der Nerven beeinträchtigt, was zu Symptomen wie Taubheit, Kribbeln, Schwäche bis hin zu Lähmungen führen kann. Diese Anti-Gangliosid-Antikörper werden jedoch nicht bei allen Patienten mit Guillain-Barré-Syndrom nachgewiesen.
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